unsplash

ChatGPT, ein philosophischer Sparringpartner  

ChatGPT und generative KI: Coach oder Gegner? Lehrer oder Schüler? In der ersten Jahreshälfte 2023 führten wir zahlreiche Interviews mit Personen durch, deren Branchen von der Verbreitung von ChatGPT und anderen Anwendungen der generativen KI direkt betroffen sind. Ein Schlüsselwort taucht dabei immer wieder auf: Sparringpartner. Dazu einige Überlegungen, die auch helfen sollen, die neuen Hilfsmittel noch besser zu verstehen.

Tatsächlich scheint uns die Maschine gleichzeitig Coach und Partnerin, gelegentlich aber auch Gegnerin zu sein. Sie fordert uns heraus und hilft uns, in unseren Aufgaben besser zu werden. Aber ihre Fähigkeit, uns den Ball zurückzuspielen, kann beängstigend sein. Was, wenn die Partnerin zu stark wird?

Um besser zu verstehen, wie generative KI schon heute im Alltag als Sparringpartnerin genutzt wird und welche Herausforderungen damit einhergehen, haben wir drei Branchen näher unter die Lupe genommen: Schulen und andere Bildungseinrichtungen, Medien und Journalismus, sowie die Kreativwirtschaft. Unter den entsprechenden Links finden Sie anwendungsorientierte Arbeitsmaterialien für diese drei Bereiche. Dank der Unterstützung der Stiftung Mercator Schweiz können wir diese kostenlos zur Verfügung stellen. 

  • Arbeiten Sie in einer Schule oder einer Bildungseinrichtung? => Hier
  • Arbeiten Sie in den Medien oder im Journalismus? => Hier
  • Sie arbeiten in der Kommunikationsbranche oder in der Kreativwirtschaft? => Hier

Weshalb ist ChatGPT ein philosophischer Sparringpartner? Wir haben sechs philosophische Fragen identifiziert, die in den hitzigen Diskussionen um die generative KI eine tragende Rolle spielen. Aus diesen sechs Fragen lassen sich drei wichtige Erkenntnisse ableiten:

ChatGPT ist aufgrund seiner Funktionsweise hervorragend darin, menschliche Eigenschaften nachzuahmen und zu vermitteln. Es schlägt Ergebnisse vor, die den statistisch erwarteten Inhalten entsprechen und gibt so genau das wieder, was wir gemeinhin zu lesen erwarten. ChatGPT erscheint somit als ein algorithmisches Spiegelbild unserer selbst – jedoch mit leicht unscharfen und ungewissen Grenzen. 

Zudem zwingt uns generative KI, zu hinterfragen, was uns als Menschen ausmacht. Sind Menschen intelligent oder kreativ - und wenn ja, ChatGPT auch? Die Tools zwingen uns auch dazu, unsere Definitionen von Intelligenz oder Kreativität zu hinterfragen. Angesichts dieser Fragen müssen wir lernen, in Szenarien zu denken, statt mit definitiven Feststellungen arbeiten zu wollen. Gehen wir von einer Minimaldefinition von Intelligenz aus, so dürfte ChatGPT sie erfüllen; nehmen wir eine anspruchsvollere Definition zum Massstab, dagegen nicht. 

Schliesslich erinnert uns ChatGPT an eine Grundfrage unseres Verständnisses von uns selbst. In einer Kultur, die davon ausgeht und geprägt ist von der Vorstellung, dass der Mensch über der Natur steht, stellt die Definition der menschlichen Eigenheiten tatsächlich eine wichtige Machtfrage dar. Wenn wir nichts mehr haben, was uns einzigartig macht, wie können wir dann unseren Platz an der Spitze der Hierarchie rechtfertigen?

ChatGPT und andere Anwendungen der generativen KI sind anschauliche Beispiele dafür, wie neue Technologien mit weitreichenden ethischen Fragen einhergehen. Und diese sind bei Weitem keine theoretischen Fragen – ganz im Gegenteil stehen sie im Mittelpunkt der Entwicklung und des Einsatzes dieser Anwendungen in den unterschiedlichsten Bereichen. Grund genug, sich auch tatsächlich mit ihnen zu beschäftigen.

P.S. Dieses Projekt wäre nicht möglich gewesen ohne die zahlreichen Personen, die sich bereit erklärt haben, in Form eines Workshops oder eines Interviews daran mitzuwirken. Eine Liste dieser Personen finden Sie hier – vielen Dank!

Haben wir Ihr Interesse geweckt?